Helfen macht glücklich

von Esther Neumann

Die Flüchtlingswelle rollt wiedermal durch Österreich. Viele Menschen bleiben bei uns. Wir brauchen viele freiwillige Helfer, um sie zu betreuen. Helfen zu dürfen ist aber keine Einbahnstraße. Es macht uns glücklich und ist für unsere eigene Zufriedenheit wichtig.

Helfen macht glücklich

Anderen Menschen zu helfen liegt uns eigentlich im Blut. Wer könnte an einem kleinen Kind vorbeigehen, das auf dem Schotterweg hingefallen ist und nun Rotz und Wasser“ heult? Es sieht rot, sein eigenes Blut. Da fließen die Tränen erst recht. Wir stellen es auf, säubern es, blasen den Schmerz weg, trösten und wiegen es. Eine alte Dame steht händeringend am Fahrkartenautomaten. Sie kennt sich nicht aus. Sie muss sich eine Fahrkarte lösen. Keiner ist weit und breit, der es ihr erklärt. Du kommst dazu und kannst nicht anders. Du hilfst ihr.

In den letzten Monaten haben sich zehntausende Menschen zusammengetan, sich organisiert, sich Hilfsorganisationen angeschlossen. Sie haben Plattformen gegründet, um den Flüchtlingen die deutsche Sprache beizubringen, um ihnen Wohnquartiere zu organisieren, ihnen Freizeitgestaltung anzubieten und sie mit dem Lebensnotwendigsten, aber auch mit dem einen oder anderen Luxusartikel auszustatten. Menschen packen dort an, wo es notwendig ist. Sie machen das in ihrer Freizeit. Manche fahren sogar ins Ausland, an die Orte, wo die Menschen auf der Flucht sind, wo die Not und die Verzweiflung am größten sind. Ärzte versorgen die Kranken. Andere kochen Tag für Tag viele Mahlzeiten und schleppen sie an die Bahnhöfe. Helferteams stellen Zelte auf, um Menschen und Hilfsgüter vor dem Regen zu schützen. Viele sind bereit, bis zur Erschöpfung zu arbeiten. Sie fahren mit ihren privaten Autos, um Hilfsgüter an den Einsatzort zu transportieren.

Auswirkungen

Jeder, der hilft, merkt, dass es ein Gewinn ist. Zufriedenheit und Freude darüber, dass man helfen konnte, kehren bei einem selber ein. Man fühlt sich zugehörig und entdeckt Gemeinschaftsgefühle. Schaut man genauer auf die Menschen, verschwinden die Bilder der Angst in unseren Köpfen. Man glaubt nicht mehr, man könnte ausgenützt oder gar beraubt werden. Wenn man das Abenteuer der Hilfe eingeht, kann man an der anderen Kultur teilhaben. Die meisten Flüchtlinge sind stolz, wenn man ihnen die Möglichkeit bietet, eines ihrer Nationalgerichte zu kochen. Und wir können gar unseren Horizont dadurch erweitern, dass wir an ihrem Ergehen, ihren Nöten und Ängsten interessiert sind.

Ein Ukrainisches Mädchen mit einem typischen Nationalgebäck

Über den eigenen Schatten springen

Es macht uns froh, wenn wir unsere christlichen Werte ausleben dürfen. Viele lassen sich von der Bibelstelle leiten: „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch.“ (Matthäus 7, 12) Viele haben auch Ängste beim Helfen, aber sie halten es nicht aus, nichts zu tun, und freuen sich hinterher, dass sie über ihren eigenen Schatten gesprungen sind. Wieder andere sehen es als Vorrecht an, in einem sicheren Land zu leben, und wollen aus Dankbarkeit etwas zurückgeben.

Es ist die Not

Es stimmt natürlich: Wo viele Tausende vorbeigegangen sind, wird Müll und Schmutz hinterlassen, wächst kein grüner Halm mehr. Aber was kann der Einzelne dafür? Ist er freiwillig an dem Ort? Hat ihn die Angst einer neuen Bombardierung hierher gebracht? Oder die grauenhafte Angst, noch einmal zu erleben, wie eine Freundin, die neben einem gegangen ist, von einem Granatsplitter zerrissen wird? Oder die Angst, von russischen Soldaten gefoltert oder vergewaltigt zu werden? Die Gründe zur Flucht sind mannigfaltig. Keiner verlässt seine Heimat freiwillig.

Ukrainische Flüchtlinge gehen über die Grenze

Eine Mutter von zwei Kindern ist mit ihrem Auto unterwegs und bringt Regenmäntel und Gummistiefel an die Grenze, wo die Flüchtlinge im kalten Regen auf die Busse, die sie weiterbringen sollen, warten. Unsere Helferin verteilt die Regenmäntel auch an einen dreifachen Familienvater, der mit seiner Frau und einem Onkel auf die Busse wartet. Alle Familienangehörigen frieren und sind entmutigt. Sie haben eine Einladung zu einem Bruder des Vaters nach Schweden in der Tasche. Aber wie kommt man dorthin? Und jetzt wird es wieder Nacht. Unsere Helferin hat alles verteilt und macht sich auf den Heimweg. Sie hat aber keine Ruhe, sie muss immer an die wartende, frierende Familie denken. Sie dreht um und findet die Familie im Menschengewühl wieder. Sie ruft ihren Mann an und bittet ihn, mit einem zweiten Auto und drei Kindersitzen an die Grenze zu kommen. Sie nehmen die fremde Familie kurzerhand mit nach Hause.

Jeder bekommt ein Handtuch und ein warmes Bad. Die eigenen Kinder und die fremden spielen bald trotz der Sprachschwierigkeiten zufrieden miteinander. Nach einem sättigenden Abendessen sitzt man noch beieinander, plaudert mit Händen und Füßen, lacht viel und schmiedet Pläne zur weiteren Hilfe. Nach zwei Tagen ist es so weit. Eine glückliche Familie wird in den Zug gesetzt – mit Schweden als Ziel. Der Bruder dort weiß, dass seinen Verwandten geholfen worden ist und sie bald kommen. Eine andere glückliche Familie bleibt in Österreich zurück. Sie sind zufrieden, dass sie wenigstens ein paar Menschen helfen konnten. Das spornt an und ermutigt, weiterhin zu helfen. Ein Tropfen auf den heißen Stein? Stimmt, aber viele Tropfen bilden einen Regen, der den Stein kühlt. Jeder kann zu einem Tropfen werden und sich einbringen. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Und die Freude kommt zurück und macht glücklich!

Esther Neumann

Esther Neumann

Esther Neumann studierte Ernährungswissenschaften auf der Universität Wien. Seitdem schrieb sie für viele Jahre für das Gesundheitsmagazin „Leben und Gesundheit“, und führte Gesundheitsvorträge in vielen Orten Österreichs durch.

www.ernaehrungaktuell.at/


Ein Artikel von RundumGesund.org